Dunkel wars, der Mond schien helle, als ein Laster blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr. Ein Laster mit Sand, morgens früh um 6.30 Uhr an einem Donnerstag im Dezember. Ist jetzt schon Thriller, meinen Sie? Dabei kommt die totale Eskalation erst noch… fangen wir mal von Vorne an:
Im Frühjahr diesen Jahres machten sich die Bauherren daran eifrig Kostenvoranschläge einzusammeln, um schon einmal so grob zu wissen, was da am Ende für ein Sümmchen unterm Strich steht, aber auch um schon einmal ein paar Firmen an der Hand zu haben. Wir waren noch weit, sehr sehr weit von einem fertigen Fußboden entfernt, trotzdem brauchten wir langfristig gesehen auch eine Firma, die sich eines Tages darum kümmern würde. Gesucht, gefunden. Alles no problem! „Melden Sie sich dann einfach 14 Tage vor dem Termin bei uns, dann können wir Sie einplanen“, so hieß es unter dem Kostenangebot der Firma. Das Jahr ging so ins Land und unsere Einzugspläne wurden verschoben und verschoben und verschoben, denn immer hinkte hier und da eine Firma hinterher. Es richtetet sich langsam alles auf das Jahresende aus und wenn schon nicht den Einzug, dann wollten wir wenigstens diesen sagenumwobenen Estrichboden vor Weihnachten in Sack und Tüten haben. Mit Estrich ist das nämlich so eine Sache.
Estrich ist im Prinzip ein Zementgemisch, was, nachdem es erfolgreich auf dem Fußboden verteilt ist, erst einmal mehrere Wochen still liegen muss, sich „setzen“ muss, bevor dann erst die darunter befindliche Fußbodenheizung zum Einsatz kommt und die Zementmischung dann noch einmal mehrere Wochen trockenheizt. Kleiner Wissenssnack.
Soll heißen, nachdem der Estrich drin ist, kann man schon einmal zwei Monate Pause machen, bis es mit den Arbeiten weitergehen kann. Liegt ja auf der Hand, dass man so eine Pause wenn möglich an die obligatorische Jahreswechselpause im Handwerk anpassen möchte. Alle Beteiligten klangen recht optimistisch, die Fußbodenheizungsschläuche wurden angeliefert und wir dachten uns, kontaktieren wir doch einmal DREI Wochen vor Termin die Estrichfirma. Und ja, ich betone hier ganz bewusst die DREI Wochen. Am anderen Ende der Telefonleitung stieß ich dann allerdings auf einen sehr unflexiblen Estrichchef, der sich sicher war, dieses Jahr bestimmt keinen Estrich mehr zu verlegen und dann könnten wir uns gerne Mitte Januar wieder melden, wenn er und seine Mitarbeiter aus dem Weihnachtsurlaub zurück seien. Wobei im Januar ja durchaus Frost sein könnte und dann würde das natürlich nicht funktionieren mit dem Material und allem. Auch als ich zu härteren Waffen griff und ihm in flehendem Ton die Dringlichkeit der Lage näherbringen wollte, blieb er stur und meinte, dass dieser Anruf heute schon der vierte dieser Art wäre. Tja, schön. Das ist doch das, was man in seinem adventlichen Alltagswahnsinn braucht. Bretter vor den Kopf!
Unser Einzugsplan verlegte sich innerhalb von Sekunden von Februar auf August (wir gingen mal davon aus, dass bis August kein Frost mehr wäre) und allgemeine Depri-Stimmung kehrte ein. Kurz vor Weihnachten schien die Lage auch relativ aussichtslos noch einmal ganz kurzfristig eine neue Firma zu begeistern.
Doch plötzlich und unerwartet gab es dann doch tatsächlich noch eine glückliche Fügung. Ein Engel in Form unseres Bauleiters kam hernieder und hatte passenderweise einen Estrichleger zur Hand, der innerhalb eines Tages den Deal mit uns klarmachte und versprach den Estrich noch eine Woche vor Weihnachten ins Haus zu bringen. Bähm! Einzugspläne zurück auf Februar und Depri-Stimmung wie weggeblasen. Manchmal ist es doch wirklich toll, was das (Bau-)Leben so an Überraschungen parat hält.
Noch so ein Super-GAU war, dass unsere Freunde von der Heizungs-/Sanitärfirma im Dezember ganz große Materiallieferengpässe hatten. Viele Leute hatten bei ihnen neue Heizungen bestellt, die konnten aber nicht geliefert werden. Also konnten sie auch keine Heizungen einbauen und hatten Zeit. Viiiiel Zeit. Den ganzen Dezember sozusagen. Und den brauchten sie, um bei uns die Wasserleitungen und Fußbodenheizung einzubauen. Das war zum Glück auch alles möglich, weil in Bezug auf Wasserleitungen und Fußbodenheizungen keine Materiallieferengpässe vorlagen. Wir hatten Glück. Die anderen Leute hatten Pech. Doch dann kam Corona. Sie, als begeisterte Leser unseres Blogs, werden vielleicht festgestellt haben, dass Corona, trotzdem es seit einem Jahr unsere Bauphase begleitet, bisher kein großes Problem dafür darstellte. Glücklicherweise hatten wir weder mit Materialproblemen noch mit Personalausfällen zu tun und alles konnte irgendwie vorangehen. Doch jetzt, genau jetzt, wo wir doch den neuen Estrichmann hatten und alle sich auf den großen Termin eine Woche vor Weihnachten ausrichteten, da kam plötzlich Corona ins Spiel. Was für ein Timing! Letztlich war tatsächlich ein Kindergarten Schuld, dass wir alle ins Schwitzen kamen. Es war so:
In einem Kindergarten in der Umgebung gab es zu der Zeit Corona und das nicht zu knapp. Am Ende waren fast alle Erzieher und Erzieherinnen der Einrichtung positiv, weshalb der Kindergarten vorübergehend schließen musste. Eine dieser Erzieherinnen war die Frau des Mitarbeiters unserer Heizungs-/Sanitärfirma. Und da haben Sie das Rätsel schon gelöst, nicht wahr?
Aus dem geplanten Fußbodenheizungsstart wurde also erst einmal nichts und mit einem Mal – BÄHM – befanden sich unsere gepackten Koffer gedanklich wieder im August. Unglaublich, dieses Auf und Ab der Gefühle, oder? Doch der Wochenstart brachte gute Neuigkeiten: Keine weiteren Fälle in der Firma und ein paar Mitarbeiter, die noch einspringen könnten. Gesagt, getan und rangeklotzt. Montag starteten sie, Mittwoch wollten sie fertig sein, weil Donnerstag der Estrich kommen sollte. Doch es war knapp, einfach zu knapp. Der Mittwoch endete mit Überstunden und es wurde geschuftet bis in die Dunkelheit hinein, aber es fehlten doch noch die letzten Meter.
Wenn Sie, liebe Leser, jetzt noch einmal den ersten Absatz dieses Eintrags lesen, wird es Ihnen eiskalt den Rücken herunterlaufen. Was für ein Thriller!
Donnerstagfrüh. 6.30 Uhr. Mein Handy klingelt. Am anderen Ende der neue Estrichmann. Wutentbrannt. Laut. Aggressiv. Ich halte das Handy einen halben Meter vom Ohr weg und lausche fassungslos meinem Untergang. Was uns einfiele, ihn heute starten zu lassen, schließlich wäre ja NICHTS fertig. Was es für eine Frechheit wäre, so schlecht zu organisieren. Es wäre als Bauherren UNSERE Aufgabe alles zu koordinieren, wir hätten versagt. Er stelle uns ALLES in Rechnung, den ganzen vergeudeten Tag. Es wäre alles unsere Schuld. Wir hätten uns an keine Absprachen gehalten, das ist unprofessionell… usw. usw. Zitternd, den Tränen nah, versuche ich mich zu rechtfertigen, aber viel sagen darf ich nicht. Nach mir bekommen die Mitarbeiter der Heizungs-/Sanitärfirma ähnliche Worte an den Kopf geworfen. Nach kurzer Zeit bricht er ab und fährt. Mitsamt allen Mitarbeitern. Auf dem Hof zurück bleibt ein Haufen Sand und allgemeine Fassungslosigkeit. Noch nie wurde ich so beschimpft!
Ist doch ein Ding, was man so in seiner Karriere als Bauherr alles erlebt! Gegen Mittag ist die Fußbodenheizung an diesem Donnerstag fertiggestellt. Richtig glücklich ist niemand, die Stimmung ist im Keller. Bauherr und Bauleiter verständigen sich über den Fortgang des Estrich-Thrillers. Am nächsten Morgen rückt der Estrich-Trupp ein weiteres Mal an. Der Chef weist ein, die Mitarbeiter starten und sind tatsächlich schon gegen Mittag fertig. Jetzt haben wir unseren finalen Fußboden im Erdgeschoss. Der Termin wurde gehalten, noch vor Weihnachten ist alles erledigt und kann nun ein paar Wochen vor sich hin trocknen.
Ein kleiner Nachgeschmack bleibt…