Februar 2021. Schneesturm, zweistellige Minusgrade und eine Winterlandschaft wie in Südtirol. Natürlich muss der Winter, den wir seit ungefähr 10 Jahren herbeisehnen genau dann aufkreuzen, wenn wir im Rohbau sind. Naja. So ist das eben. Gegen das Wetter sind wir machtlos und auch die eifrigste Rohbaufirma kann dagegen nichts ausrichten und macht das, was sie an dieser Stelle nur machen kann: Pause. Schneeflocken fegen durch die mittlerweile schon zweite Terrassentüröffnung wie ein Bodenroller in der Wüste.

Da ging es im Januar so flott und fröhlich los und schon wird man wieder ausgebremst. Unsere glühende Euphorie kühlt angesichts der frostigen Temperaturen runter. Warten sind wir ja schon gewohnt und richtige Profis, was das angeht. Doch keine Sorge, natürlich passiert weiterhin so einiges hinter der Kulisse und langweilig wird es auch in diesen Wochen nicht.
Zur Zeit korrespondieren wir fleißig mit gefühlt hunderten verschiedenen Firmen. Ich gehe vollkommen auf in meiner neuen Rolle als Sekretärin und Baumanagerin. Täglich fliegen diverse Mails in alle Himmelsrichtungen hinaus in die Welt, gespickt mit Bauplänen, Grundrissen, Kontaktdaten, Zusagen, Terminvorschlägen, Fragen und Antworten. „Wir bräuchten dann nochmal die genaue Sanitärplanung im Erdgeschoss.“ oder „Hinterlassen Sie uns bitte ihre Adresse und Telefonnummer für eventuelle Rückfragen.“ Kleiner Bauherren-Tipp am Rande: Visitenkärtchen! Hätten wir die, müsste ich nicht jeden Tag dreimal Name und Adresse buchstabieren, sondern würde einfach cool in meine Tasche greifen und die Karte ziehen. Nächster Bauherren-Tipp: ein Baby. Wäre ich gerade berufstätig, wüsste ich nicht, wie wir dieses ganze Baumanagement nebenbei noch stemmen wollten. Da wäre dann wohl wirklich eine Sekretärin nötig. Deshalb ist es durchaus praktisch, sich ein Kind zuzulegen und einfach mal ein Babyjahr einzulegen, wenn so ein Bauprojekt ansteht. Man ist vielleicht nicht die munterste und gestylteste Person an der Baustelle, aber hat doch viel Zeit für Fragen wie: Dachfenster mit elektrischen Rolläden oder manuell? Terrassentüren als Schiebe- oder Klapptüren? Kalkputz oder Gipsputz auf die Innenwände? Und nach dem Babyjahr kann man dann gleich überlegen, ob man in den alten Beruf zurück möchte oder beim Bau bleibt, schließlich ist man dann ja Profi. Jedenfalls ist es schon schön mit den ganzen Firmen zu korrespondieren, denn je mehr Firmen im Boot sind, desto konkreter wird die ganze Aktion ja. Und trotzdem wollen sie ja alle nur das Eine: unser Geld.
Was die Finanzen angeht, so sind wir zwar mittlerweile auf einem guten Weg, doch werden unsere begeisterten Leser jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn ich an dieser Stelle berichte, dass wir bereits die ersten Rechnungen erhalten und noch keinen Kredit haben. Oh weh! Wie kann man nur? Das ist allerdings nicht unser Verschulden, sondern die Reihung einiger ungünstiger Umstände. Wie auch sonst. Wäre doch langweilig, wenn immer alles glatt geht, oder? Es war nämlich so:
Im Frühjahr 2020 haben wir erstmals Kontakt zu unserer sehr freundlichen und stets hilfsbereiten Kreditberaterin aufgenommen. Zwar konnten wir damals schon viele Auskünfte geben und auch so gut wie alle für die Bank erforderlichen Unterlagen einreichen, doch gab es da ein Problem(chen). Die Bauherrin war frischgebackene Mutter und konnte zu dieser Zeit lediglich Elterngeld als Einkunft angeben. Der Bauherr war Student und einkommenslos. Na herzlichen Glückwunsch! Egal, wie sehr wir auch beteuerten in baldiger Bälde wieder gutes Geld zu verdienen, die Bank wirft einen Blick auf das Jetzt. Und das sah nicht so gut aus. Mussten wir also warten… wenigstens bis Max einen Job hat und dieser „Studentenstempel“ weg ist. Das war im Oktober der Fall. Wir also wieder Anlauf genommen. Coronabedingt haben wir unsere Ansprechpartnerin von der Kreditberatung noch nie gesehen und doch fühlt es sich an, als wären wir beste Freunde. Alle Unterlagen konnten wir ihr in Windeseile hochladen (Ja, so macht man das heutzutage, nichts mehr mit Post, alles online!) und nichts schien dem großen Geld mehr im Wege zu stehen. Bis auf das Eine: Eine genaue Baukostenschätzung, unterzeichnet vom Bauleiter. Ist ja auch irgendwie logisch. Wir können ja keinen Kredit aufnehmen, ohne zu wissen, wieviel wir überhaupt brauchen. Und ein bisschen (zu?) locker sind wir da vielleicht wirklich herangegangen, denn alles was wir bisher hatten, war eine erste grobe Schätzungssumme von 250.000 €. Das war allerdings noch bevor der Denkmalschutz ankam mit Extrawürsten wie Holzfenster, Holztüren, keine Dachfenster, sondern Gauben, alles ganz symmetrisch und lieber ein Fenster mehr, damit es hübsch aussieht. Wir tappten also in der finanziellen Dunkelheit und trieben unser Bauprojekt weiter voran, ohne überhaupt seine Dimension zu kennen. Unser lieber Herr Bauleiter war nun also am Zug. Doch der konnte und wollte keine Schätzung aufstellen, solange er nicht ein paar Kostenvoranschläge vorliegen hat. Und wer bitte konnte denn ahnen, dass es einige Monate, fast ein halbes Jahr lang dauern würde, bis diese vorliegen und die Kostenschätzung gemacht ist? Wir jedenfalls nicht. Und so sagten wir schon Ende des letzten Jahres munter den Firmen zu und bestätigten die eingeflatterten Angebote, schließlich waren wir ja heiß auf den Baustart. Tja und so kam eben das Eine zum Anderen und nach erfolgreichem Baustart im Januar folgten auch erste Rechnungen. Alles gut, wir sind noch nicht in der Privatinsolvenz. Wir schrauben unsere Grundbedürfnisse eben ein bisschen zurück, beschränken Einkäufe aufs Nötigste und fasten ein bisschen. Passt ja, morgen ist ja Aschermittwoch. Scherz. Es dauert nun nicht mehr lange und wir können uns wieder entspannt zurücklehnen. Unsere liebe Kreditfreundin war sehr fleißig am Werk und hat der Bank Druck gemacht, dass sie den Bürokratiekram schnell über die Bühne bringen, damit wir nicht auf Grund laufen. Unsere lang erwartete Kostenschätzung ist nun Anfang Februar gekommen und somit steht der Sache nichts mehr im Wege. Außer… ein weiterer Notartermin… soll halt auch spannend bleiben. Und einfach kann ja jeder. Nun hoffen wir, dass die Angelegenheit in den nächsten Tagen abgewickelt werden kann und sich das alles nicht wieder ganz überraschend über Monate hinzieht. Also liebe Leser, Daumendrücken ist angesagt. Dass wir hier bald mal eine kräftige Finanzspritze kriegen und uns nicht weiter Alpträume vom Baustopp plagen.
Trotz allem muss man sagen, kam uns der Frost ja schon ein bisschen gelegen. Denn durch die witterungsbedingte Zwangspause auf dem Bau hatten wir erstmal wieder einen kleinen Puffer, um die Kreditangelegenheiten voranzutreiben. So hat doch alles immer irgendwie seinen tieferen Sinn oder?
