Sensation am Frühstückstisch

Es ist Samstagmorgen. Familie L. aus E. an der O. sitzt entspannt am Frühstückstisch. Die Vögel zwitschern, die Sonne scheint, alles sieht nach einem lässigen Wochenende aus. Doch dann das: „Mama, da ist Pullizai-Auto!“, ruft der kleine Mann mit vollem Mund und wedelt mit den Ärmchen wie verrückt Richtung Straße. Tatsächlich. Da stehen sogar zwei Polizeiautos am Straßenrand und um sie herum lauter Polizisten, die am Samstagmorgen sicherlich lieber etwas anderes tun würden, als auf einer Straße aufzuräumen. Scheinbar sind sie in der misslichen Lage, die vorhandene Situation nicht unter Kontrolle zu bekommen, sondern eher vergeblich von links nach rechts zu laufen und dabei ungefähr genauso verrückt mit den Ärmchen zu wedeln, wie unser Kind. Ursache des Ganzen: Pferde auf der Fahrbahn. Vier recht ansehnliche Haflinger in ihren besten Jahren galoppieren wild über die Fahrbahn, es staut sich bereits auf beiden Seiten die Autoschlange. Der Hausherr beschließt zu handeln, legt sein Brot auf den Teller und zückt das Handy. Schwuppdiwupp wählt er die Radio-Verkehrsnachrichten-Nummer und sagt den Satz, den in der Region sicher jeder schon mitsprechen kann: „Zwischen Jersleben und Elbeu sind Pferde auf der Fahrbahn.“ Wenige Minuten später erklingt sein Satz aus unserem Küchenradio im Verkehrsfunk. Neben den Polizeiwagen parken nun noch zwei weitere Autos, es wird allmählich richtig voll da draußen. Die Passagiere springen aus ihren Fahrzeugen. Darunter die Karla Kolumna von Wolmirstedt mit ihrer großen Kamera und ein paar Herrschaften vom Ordnungsamt. Während die rasende Reporterin wie wild knipst und versucht die Pferde in ihren schönsten Momenten „on the road“ einzufangen, versuchen die Beamten ihrerseits die Tiere einzufangen, doch ohne Erfolg. Ein Schauspiel, wie man es sich nur wünschen kann. Wir drei lehnen uns währenddessen entspannt zurück und mampfen unser Sirupbrot. Wie sich kurze Zeit später herausstellt, sind wir nicht mehr die einzigen Beobachter des Spektakels. Am Zaun zum Feld steht unser lieber Nachbar Moritz mit Fernglas und verfolgt das Geschehen scheinbar schon eine Weile. Wie er uns mitteilt, war er derjenige, der die Polizei gerufen hat, als er die Pferde schon vor einer Stunde auf der Straße sah. Doch so viele Menschen auch panisch versuchen die Tiere zu fangen, es will ihnen einfach nicht gelingen. Nachdem die Polizisten einsehen, dass ihre Bemühungen zwecklos sind, steigen zwei der Beamten in ihr Auto und verschwinden. Nach etwa zehn Minuten kehren sie zurück, im Schlepptau den Übeltäter. Es ist unser guter Nachbar Herr M., in Stadt und Land bekannt für seine Missetaten, Erpressungen, Diebstähle und nicht zuletzt für seine Tiere. Egal ob Hühner, Schafe oder Pferde, er hat sie einfach nicht im Griff. Ihre Weiden haben kaum Futter, ihre Zäune sind ein Witz und so kommt es fast täglich vor, dass irgendwelche seiner Tiere gerade einmal wieder irgendwie ausbüxen und über die Straßen laufen. Mit der Polizei ist er mittlerweile sicher schon per Du, denn es gibt wohl kaum einen Tag, wo keine Beschwerde über ihn oder seine Tiere in der Polizeizentrale eingeht.

Links im Bild: Herr M., ins Gespräch vertieft mit zwei Polizeibeamten. Diese Aufnahme wurde einige Tage nach dem hier geschilderten Vorfall aufgenommen.

Man könnte mittlerweile sicherlich schon Bände füllen mit den Geschichten um Herrn M. Und wir haben das große Glück, von unserem Frühstückstisch aus einige davon live mitzuerleben. Was für ein Gewinn!

Das Ende des heutigen Blockbusters: Die Polizei sperrt die Straße weitläufig ab, Herr M. fängt seinen „Leitgaul“ ein und führt die Pferde zurück auf die ca. zwei Meter vom Straßenrand entfernte und schlecht gesicherte Weide. Währenddessen schießt Karla Kolumna ihre letzten Bilder. Ein paar belehrende Worte seitens der Beamten, ein paar Schulterzucker von Herrn M. und an der Straße kehrt wieder Normalität ein.

Wir beenden unser Frühstück mit etwas Verspätung und starten in den Samstag.

Und da sage noch einer, das Landleben sei langweilig!

Franzi

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